Willkommen auf der Arche des Geschmacks!

Äste eines Apfelbaums mit vielen rotgelben Äpfeln

Durch die industrielle Landwirtschaft gehen leider immer mehr alte, sehr hochwertige Lebensmittel, Nutztierarten, Kulturpflanzen und regionale Zubereitungsarten verloren. Die Herstellung ist zu aufwendig, sie liefern zu wenig Ertrag, sind zu anspruchsvoll im Anbau, oder in ihrer Form nicht passend für die industrielle Produktion. Dadurch gehen kulinarische Schätze verloren, die uns tolle Geschmackserlebnisse bieten und bestens an die regionalen Klima- und Bodenverhältnisse angepasst sind. Um diesem Rückgang der Biodiversität etwas entgegenzusetzen, rief die internationale Organisation Slow Food bereits 1996 die „Arche des Geschmacks“ ins Leben. Seitdem wurden weltweit mehr als 6.200 Passagieren aufgenommen. In Deutschland sind es derzeit schon knapp 100, darunter Gemüse- und Obstsorten, Tierrassen und auch Wurstwaren und Käse.

Live erleben auf dem Markt des guten Geschmacks

Ihr möchtet zumindest ein paar dieser besonderen „Passagiere“ einmal selbst erleben oder besser gesagt probieren und sie auch mit nach Hause nehmen? Dann seid Ihr auf dem Markt des guten Geschmacks, der Messe von Slow Food in Deutschland, genau richtig. Sie öffnet am morgigen Donnerstag auf der Messe Stuttgart im Rahmen der Frühjahrsmessen ihre Türen und ist dann bis Sonntag geöffnet. Aus meiner Erfahrung der Vorjahre kann ich einen Besuch nur empfehlen. Drei der Archepassagiere, die zu schmackhaften Produkten verarbeitet auf der Messe zu finden sind, möchte ich Euch nun vorstellen.

Logo des Markts des guten Geschmacks mit grünem Hintergrund, weißer Schrift und roten Hervorhebungen
Vom morgigen Donnerstag, 24. April, bis zum kommenden Sonntag, 27. April, präsentieren 242 Aussteller und Ausstellerinnen ihre guten, sauberen und fairen Lebensmittel.

Viel Zucker, viel Säure, toller Saft

Der Bittenfelder Sämling vom Hochstamm, eine über 100 Jahre alte Apfelsorte, verdankt seinen Namen dem ersten Fundort: dem Ort Bittenfeld, der mittlerweile Teilort Waiblingens ist. Zu seinen Besonderheiten gehört, dass er einen hohen Zucker- und zugleich einen hohen Säuregehalt hat. Zum Essen ist er deshalb weniger geeignet, dafür umso besser als Mostapfel. Verarbeitet wird er oftmals zusammen mit anderen Apfelsorten zu Streuobstapfelsaft. Wer solche Säfte kauft, tut der Umwelt ebenfalls etwas Gutes: Streuobstwiesen, die sehr gefährdet sind, bieten über 5.000 Tier- und Pflanzenarten eine Heimat – super für die Artenvielfalt. Besonders wohl fühlt sich der „Bitterfelder“, wie er meist kurz genannt wird, in Weinbaugegenden, in denen das Klima nicht zu rau ist. In Gefahr ist er, da er für die industrielle Herstellung von Apfelsaft ungeeignet ist. Außerdem reift er später als viele andere Apfelsorten und wird deshalb entweder unreif geerntet oder einfach hängengelassen.

Mit Einkauf gezielt unterstützen

Wer getreu des Arche-Mottos „Essen, was man retten will“ zum Erhalt dieses württembergischen Apfels beitragen will, findet auf der Slow-Food-Website zahlreiche Safthersteller und Brennereien. So lassen sich gezielt Produkte kaufen, die den Bittenfelder Sämling enthalten. Auf dem Markt des guten Geschmacks bietet die Edelbranddestillerie Rabel an ihrem Stand in Halle 1, Nummer P30 unter anderem den Bittenfelder-Edelbrand an.

Zwei Bündel mit ein paar Ähren auf einer grauen Platte
Binkelweizen sind eine gute Alternative für wenig ertragreiche Böden und Schutzgebiete, denn sie sind standfester und anspruchsloser als Hochzuchtsorten. (Bild: Jan Sneyd)

Früher verbreitet, heute Rarität

Über kaum ein Getreide wurde und wird hierzulande vermutlich mehr und kontroverser diskutiert als über Weizen. Die einen verteufeln ihn als ungesund, die anderen betonen die Relevanz hochgezüchteter Sorten für die Ernährung der Weltbevölkerung. Vermutlich liegt auch hier – wie so oft – die Wahrheit irgendwo dazwischen. Einigkeit besteht zumindest darüber, dass alte Weizensorten, analog zu alten Apfelsorten, insbesondere für Allergiker und Allergikerinnen besser verträglich sind. Dazu gehört der 3.000 Jahre alte Echte Binkelweizen, der früher in Europa weit verbreitet war. Sein niedrigerer Ertrag, der nur bei etwa der Hälfte bis einem Drittel einer hochgezüchteten Sorte liegt, machte ihm auf den Feldern den Gar aus: Quantität vor Qualität. Seine geringeren Ansprüche an Dünger und die Folgen des Klimawandels kommen ihm nun wieder zugute.

Start mit 180 Quadratmetern

Angebaut wird er allerdings weiterhin nur auf wenig Fläche, erfreulicherweise mit steigender Tendenz: 2018 waren es 180 Quadratmeter. In der Vegetationsperiode 2021/2022 immerhin schon 2,2 Hektar. Dank zweier Vertragslandwirte in Beuren-Balzholz und Bempflingen sowie eines dort ansässigen Bäckerhauses fand sich im Oktober 2020 nach über 100 Jahren erstmals wieder ein Binkelbrot in einer Bäckereitheke. Die Entwicklung der Rezeptur dauerte mehrere Monate! Wer diese und noch viele andere Brotsorten kosten möchte, der kann dies auf dem Messestand des Bäckerhauses Veit tun. Er ist zu finden in Halle 1, Standnummern K40.3 und K40.1. Wer noch mehr über diese uralte Brotweizensorte erfahren möchte, findet auch hierzu weitere Infos auf www.slowfood.de.

Bild: im Vordergrund ein feld mit vielen grünen Kohlköpfen und dahinter vereinzelte Bäume und blauer Himmel
Die Filderebene, auf der das Spitzkraut wächst, bietet mit seinen fruchtbaren Lösslehmböden, deren hoher Nährstoffversorgung und einem konstant hohen Feuchtegehalt optimale Wachstumsbedingungen. (Bild: Stefan Abtmeyer)

„Feine Zartheit in den Blättern“

Während der Bernhäuser Pfarrer Johannes Bischoff im Jahr 1772 die kulinarischen Vorzüge des Filderspitzkrauts lobend erwähnte, waren seine spitzige Form und seine saftigen Blätter der Sauerkonservenindustrie nach der Industrialisierung eher ein Dorn im Auge. Denn runde Krautköpfe lassen sich viel leichter verarbeiten, ihre Strünke leichter entfernen und die Ausbeute ist auch noch größer, denn Rundkraut ist weniger saftig als das Filderspitzkraut. Die Fläche, auf denen die geschmackvolle Untervarietät des weißen Kohlkopfs angebaut wurde, ging infolgedessen immer weiter zurück.

Glücklicherweise hielten einige Kleinerzeuger dieser Delikatesse die Stange und kultivieren sie weiterhin. Meist züchten sie das Saatgut dafür in Eigenregie und ernten ihr Filderkraut von Hand, da es sehr druckempfindlich ist. Wer daraus selbst Sauerkraut, Kohlrouladen oder auch einen Kohlauflauf herstellen möchte, macht sich am besten auf Wochenmärkten und in Hofläden auf die Suche. Oder man baut es gleich selbst an. Die Samen dazu gibt es, ebenso wie das „Filder Spitzbüble Weinsauerkraut“ bei Dinses Culinarium, die auf der Messe ebenfalls in Halle 1 und zwar am Stand N15 zu finden sind.

Und was war Euer persönliches Highlight des diesjährigen Markts des guten Geschmacks? Welche kulinarischen Genüsse habt Ihr entdeckt? Lasst es mich gerne über das Kommentarfeld wissen!

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